Fondazione Hermann Hesse Montagnola
Der Wanderer
Hermann Hesse bewegte sich zeitlebens am liebsten zu Fuss und liess sich nur in den letzten Lebensjahren von seiner Frau Ninon mit dem Auto fahren. Hesse wird oft als «ewiger Wanderer» bezeichnet, der auf seiner Suche Grenzen nicht nur im physischen Sinne zu überschreiten bereit war.
Die Sinnlichkeit des Wanderns, die Freude an Entdeckungen beim Durchstreifen unbekannter Gegenden erlebte Hermann Hesse besonders intensiv auf seinen Italienreisen, die er von 1901 bis 1914 allein oder in Begleitung von Othmar Schoeck, Fritz Brun, Fritz Widmann und Mia Bernoulli unternahm. Abseits der herkömmlichen Reiserouten entdeckte er vor allem Oberitalien, die Toskana und Umbrien. Das Tessin gab ihm diese Sinnesfreude, wie er selbst es in seinem Buch Wanderung beschreibt. Von Montagnola aus erwanderte sich Hesse das Tessin und das nahegelegene Italien; oft mit Staffelei, Palette und Malerstuhl ausgerüstet, hielt er seine Eindrücke und Empfindungen in Skizzen und Aquarellen fest.

«Unser Wandertrieb und Vagabundentum ist zu einem großen Teil Liebe, Erotik. Die Reiseromantik ist zur Hälfte nichts anderes als Erwartung des Abenteuers. Zur andern Hälfte aber ist sie unbewußter Trieb, das Erotische zu verwandeln und aufzulösen. Wir Wanderer sind darin geübt, Liebeswünsche gerade um ihrer Unerfüllbarkeit willen zu hegen, und jene Liebe, welche eigentlich dem Weib gehörte, spielend zu verteilen an Dorf und Berg, See und Schlucht, an die Kinder am Weg, den Bettler an der Brücke, das Rind auf der Weide, den Vogel, den Schmetterling. Wir lösen die Liebe vom Gegenstand, die Liebe selbst ist uns genug, ebenso wie wir im Wandern nicht das Ziel suchen, sondern nur den Genuß des Wanderns selbst, das Unterwegssein.»
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