Fondazione Hermann Hesse Montagnola
Malen
Hermann Hesse unternahm erst als fast Vierzigjähriger im Jahre 1916 die ersten Malversuche. In einer Zeit der tiefen inneren und äusseren Krise, ausgelöst durch die Auswirkungen des 1. Weltkrieges, begann er eine Psychotherapie, in der ihm unter anderem empfohlen wurde «es doch einmal mit dem Malen zu versuchen». Es entstehen in den folgenden Jahren Skizzen mit Stilleben, Selbstportraits und Landschaftsmotiven im Engadin, in Locarno-Monti und Bern. Nach der Trennung von der Familie und dem Umzug in das Tessin im Jahre 1919 schreibt Hermann Hesse die expressionistische Erzählung Klingsors letzter Sommer, die sein Lebensgefühl und seinen Schaffensdrang angesichts des Farbenzaubers des Südens schildert. Zu diesem Zeitpunkt entscheidet sich Hermann Hesse für die Technik des Aquarellierens, nachdem er zuvor auch mit Tempera, Kreide, Pastell und Öl experimentiert hatte.

Schon 1918 beginnt Hermann Hesse, farbig illustrierte Gedichte zu verkaufen, deren Erlös vor allem der von Hesse geleiteten Bücherei für Kriegsgefangene zugute kommt. Auch Freunde und die Familienmitglieder erhalten illustrierte Manuskripte als Geschenk. Kleine Aquarelle schmücken einen Teil der zahlreichen Briefe, die an seine Söhne und gute Freunde geschickt werden, die Aufzeichnungen Wanderung sind ebenfalls mit kleinen Aquarellen versehen.
Im Herbst 1922 schreibt Hermann Hesse für seine zweite Frau Ruth Wenger das Liebesmärchen Piktors Verwandlungen, welches er mit farbigen, ornamentreichen Illustrationen versieht. Noch vor der Übergabe an Ruth stellt Hermann Hesse mehrere Fassungen her, die er als besondere Geschenke an Freunde wie Romain Rolland, Samuel Fischer und Georg Reinhart sendet.

Bis Ende der Dreissiger Jahre entstehen im Tessin auf unzähligen Ausflügen farbenfrohe Aquarelle, die nicht nur von Hesses Liebe zur Natur zeugen, sondern auch das Loblied der bäuerlichen Kultur des Tessins singen, von im Wald versteckten Grotti und Felsenkellern, von Rebbergen, Kapellen und Dörfern erzählen. Heute sind diese Werke sehr geschätzt und wandern auf Ausstellungen um die ganze Welt.

Im Museum Hermann Hesse in Montagnola stehen einige Aquarelle zum Verkauf, welche die Familie Hesse zur Verfügung gestellt hat. Der Erlös kommt der Fondazione Hermann Hesse Montagnola zugute.
Malerfreude (1918)

Äcker tragen Korn und kosten Geld
Wiesen sind von Stacheldraht umlauert,
Notdurft sind und Habsucht aufgestellt,
Alles scheint verdorben und vermauert.

Aber hier in meinem Auge wohnt
Eine andre Ordnung aller Dinge,
Violett zerfließt und Purpur thront,
Deren unschuldvolles Lied ich singe.

Gelb zu Gelb, und Gelb zu Rot gesellt,
Kühle Bläuen rosig angeflogen!
Licht und Farbe schwingt von Welt zu Welt,
Wölbt und tönt sich aus in Liebeswogen.

Geist regiert, der alles Kranke heilt,
Grün klingt auf aus neugeborener Quelle,

Neu und sinnvoll wird die Welt verteilt
Und im Herzen wird es froh und helle.

Der Maler
Die Aquarelle

© Fondazione Hermann Hesse Montagnola