Fondazione Hermann Hesse Montagnola
Frauen
Marie und Adele Hesse

Aus dem familiären Bereich waren zwei Frauen von Bedeutung für die Entwicklung Hermann Hesses: Seine Mutter Marie, die im Jahre 1902 starb, und seine zwei Jahre ältere Schwester Adele, mit der Hermann Hesse bis zum Tode Adeles im Jahre 1949 in regem Kontakt stand.

1904 heiratet Hermann Hesse die neun Jahre ältere Mia Bernoulli aus Basel, die erste Frau in der Schweiz mit eigenem Fotoatelier. Sie ziehen nach Gaienhofen an den Bodensee, wo die drei Söhne Bruno (1905), Heiner (1909) und Martin (1911) zur Welt kommen. Mia Bernoulli und Hermann Hesse trennen sich 1919.

Im Tessin lernt Hermann Hesse die junge Ruth Wenger kennen. Er heiratet sie 1924, drei Jahre später lassen sie sich wieder scheiden.

Kurz darauf tritt Ninon Ausländer, verheiratete Dolbin, in das Leben des Schriftstellers. Die beiden ziehen 1931 in die Casa Rossa in Montagnola und heiraten im gleichen Jahr. Mit Ninon bleibt Hermann Hesse bis zu seinem Tode im Jahre 1962 zusammen.

Marie Hesse
Adele Gundert-Hesse

Mia Bernoulli (1868–1963)

1903, im Alter von 26 Jahren, verliebt sich Hermann Hesse in Basel in die neun Jahre ältere Maria Bernoulli, die als erste Frau in der Schweiz- als selbständige Fotografin ein Atelier in der Altstadt betreibt und zudem eine begabte Musikerin ist. Die beiden unternehmen zusammen Reisen und bewegen sich in den Künstlerkreisen Basels. Kurz vor der Heirat im Jahre 1904 schreibt Hesse an einen Freund über Mia, diese sei eine Frau, die ihm «an Bildung, Lebenserfahrung und Intelligenz mindestens ebenbürtig, älter als ich und in jeder Hinsicht eine selbständige, tüchtige Persönlichkeit» sei. Nach der Hochzeit lässt sich das Paar in Gaienhofen am Bodensee nieder, wo 1905, 1909 und 1911 die Söhne Bruno, Heiner und Martin zur Welt kommen.

Mia, die schon immer ein nach innen gewandter Mensch war, zieht sich zunehmend in sich selbst zurück, in dem gleichen Masse wie ihr Mann aus der vermeintlichen Kleinfamilien-Idylle durch Reisen und durch die Arbeit flüchtet. 1912 übersiedelt die Familie nach Bern.

Der mittlere Sohn Heiner (1909–2003) erinnerte sich im hohen Alter an seine Mutter aus der Berner Zeit als eine lebenslustige Person, die viel mit den Kindern in der Natur wanderte, Bergtouren mit ihnen machte und Schwimmausflüge unternahm. 1918 beschliesst das Ehepaar, sich zu trennen. Etwa zeitgleich macht sich eine psychische Krankheit bei Mia bemerkbar, die sich so weit entwickelt, dass Mia 1919 in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert werden muss. Im Jahre 1919 trennt sich das Paar endgültig.

In dem Märchen Iris, das Hesse nach der Trennung schreibt und Mia widmet, heisst es:
«Am liebsten lebte sie, mit Blumen und Musik und etwa einem Buch um sich, in einsamer Stille […] Manchmal war sie so zart und empfindlich, dass alles Fremde ihr weh tat und sie leicht zum Weinen brachte. […] Dann wieder strahlte sie so still und fein in einem einsamen Glück, und wer es sah, der fühlte, wie schwer es sei, dieser schönen und seltsamen Frau etwas zu geben und etwas für sie zu bedeuten».

Nachdem Mia die psychische Krise überwunden hat, organisiert sie die Auflösung des Haushaltes in Bern und ihren Umzug nach Ascona. Im Alter lebt sie zunächst bei ihrem Sohn Martin in Bern und später in einem Altersheim, wo sie mit  95 Jahren stirbt. Bis zum Schluss ist Mia vielseitig interessiert und widmet sich ihrem geliebten Klavierspiel.

Mia Bernouilli

Ruth Wenger (1897–1994)

Im Frühjahr 1919 verlässt Hermann Hesse endgültig die Familie in Bern und zieht nach Montagnola in die Casa Camuzzi. In dieser Zeit tritt die junge, attraktive Sängerin Ruth Wenger in sein Leben, die mit ihren Eltern die Sommer in Carona verbringt.

Hermann Hesse integriert sich rasch in das Familienleben der Wengers und hält sich regelmässig bei ihnen auf. Zur Mutter Ruths, der Schriftstellerin Lisa Wenger, entwickelt sich eine enge, dauernde Freundschaft. Hermann Hesse und Ruth sehen sich häufig in Carona oder in Zürich, wo Ruth Gesang studiert.

Ostern 1923 schenkt Hermann Hesse seiner Freundin das reich illustrierte Liebesmärchen Piktors Verwandlungen. 1924 heiraten sie, ohne dass sich im Alltagsleben viel ändert. Beide Ehepartner zeigen bald Anzeichen von Unglücklichsein. aber erst 1927 kommt es zur Scheidung.

In dem 1928 entstandenen Gedicht Einer einstigen Geliebten erinnert Hermann Hesse an Ruth:
«Du hast mit mir das Sakrament gefeiert
Und Wollust schien bei dir mit Liebe eins,
Und dennoch hast du dich mir nicht entschleiert,
Du hast das bange Rätsel deines Seins
Mir nie gelöst und anvertraut im Lieben,
Bist immer ein Geheimnis mir geblieben.
[…]»

Ruth Wenger

Ninon Ausländer (1895–1966)

Ninon, 1895 in Czernowitz, einer Kleinstadt im östlichsten Kronland der Habsburgischen Monarchie, geboren, las als 14-jährige Schülerin Peter Camenzind und schrieb hoch beeindruckt an Hermann Hesse. Daraus entspann sich ein nicht abreissender Briefwechsel zwischen dem achtzehn Jahre älteren, bekannten Autoren und der bewundernden, aber auch kritischen Leserin.

1913 ging Ninon nach Wien, wo sie zunächst ein Medizinstudium begann und sich später für Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie einschrieb. Hier lernte sie auch ihren ersten Mann Fred Dolbin kennen, von Beruf Ingenieur, der sich dann als Karikaturist einen Namen machte. Studienaufenthalte führten sie nach Paris und Berlin.

Die erste Begegnung zwischen Ninon und Hermann Hesse fand 1922 in Montagnola statt. Im März 1926 begann ihre Liebesbeziehung in Zürich, zu einem Zeitpunkt, wo beide sich mit der bevorstehenden Trennung vom jeweiligen Ehepartner, Fred Dolbin und Ruth Wenger, auseinandersetzten. Ninon besuchte Hesse daraufhin in der Casa Camuzzi in Montagnola, um dann schliesslich für immer zu ihm zu ziehen. Hesse war bald auf ihre Nähe angewiesen, auch wenn er diese Tatsache oft herunterspielte.

1927 schreibt Hesse folgendes Gedicht:

Für Ninon
Dass du bei mir magst weilen,
Wo doch mein Leben dunkel ist
Und draussen Sterne eilen
Und alles voll Gefunkel ist,
Dass du in dem Getriebe
Des Lebens eine Mitte weisst,
Macht dich und deine Liebe
Für mich zum guten Geist.
In meinem Dunkel ahnst du
Den so verborgnen Stern.
Mit deiner Liebe mahnst du
Mich an des Lebens süssen Kern.

Foto Martin Hesse © Alle Rechte vorbehalten

 

 

In die Heirat 1931 fügt er sich eher widerwillig. An Alfred Kubin schreibt Hermann Hesse:
«Meine Heirat ist nichts anderes, als was bei mir eben Heirat sein kann: ein Akt der Ergebung nach langem Sträuben, eine Gebärde des Nachgebens. […] Immerhin, ich bin dieser Frau dafür dankbar, dass sie mich an der Grenze des Alters noch einmal in Versuchung geführt und zu Fall gebracht hat, dass sie mein Haus führt und mich mit leichten, bekömmlichen Sachen füttert, da ich meistens krank bin».

Im Jahr der Heirat ziehen die beiden in die Casa Rossa, etwas ausserhalb von Montagnola, wo Ninon resolut das Haus führt, Hesse unterstützt, ungebetene Besucher abweist – und auch die eigenen Interessen verfolgt, die sich im Laufe der Jahre auf die antike Mythologie Griechenlands konzentrieren. Ausgedehnte Reisen nach Griechenland führen immer wieder zu einer räumlichen und innerlichen Trennung, die ihr Kraft gibt für den Alltag. Durch ihre Erfahrungen und Erzählungen bereichert sie auch Hermann Hesse, der durch ihre Reiseberichte indirekt an ihrem Leben teilnimmt.

Welchen hohen Stellenwert ihr eigenes, von Hesse unabhängiges Leben, für Ninon besass, bringt sie in einem Brief 1954 an Gisela Kleine zum Ausdruck:
«Lernen Sie nicht Aufopferung als Postulat an das Weibliche. […] Gefährte-Sein ist eine Forderung, die für den Mann ebenso gilt wie für die Frau, beides aber ist ein Nebenziel, nicht die Hauptsache».

Rückblickend erklärt sie nach Hesses Tod:
«Er konnte nur deshalb mit mir leben […] weil ich wusste, dass seine Arbeit, und nicht nur sie, auch die Bereitschaft zur Arbeit, für ihn das Wichtigste war; Liebe und Gemeinschaft, Freundschaft und Kameradschaft, das kam alles erst in zweiter Linie.»

Nach dem Tod von Hermann Hesse im Jahre 1962 sichtet Ninon mit grosser Sorgfalt den Nachlass und entscheidet sich schliesslich für die Unterbringung im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Nach Fertigstellung des Manuskripts Kindheit und Jugend vor Neunzehnhundert, Hermann Hesse in Briefen und Lebenszeugnissen stirbt Ninon am 22. September 1966 in Montagnola.

Ninon Ausländer

© Fondazione Hermann Hesse Montagnola